Die junge Republik : Österreich 1918/19 🔍
Mesner, Maria (editor);Wohnout, Helmut (editor);Kriechbaumer, Robert (editor);Maier, Michaela (editor)
Böhlau Verlag GesmbH u. Co KG, 1, 2018 nov 12
German [de] · PDF · 1.6MB · 2018 · 📘 Book (non-fiction) · 🚀/lgli/lgrs/nexusstc · Save
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Fett, etwas Milch, ein paar Stück Zucker, am Großmarkt täglich in aller Frühe bis zu 60.000 Menschen. Theater und Kinos werden gesperrt, vorübergehend auch Schulen. Züge verkehren höchst unregelmäßig, die Fenster der verdreckten Waggons sind zerbrochen. Die Straßenbahn verkürzt ihre Linien, der Stadtbahnverkehr ist überhaupt zum Erliegen gekommen, der Frachtenverkehr wird auf die (keinesfalls hinreichenden) Nahrungsmitteltransporte eingeschränkt, die Fabriken müssen die Produktion immer wieder unterbrechen, weil die E-Werke aufgrund der Unterversorgung mit Kohle keinen Strom mehr liefern können. Und über allem wütet die spanische Grippe, mit besonderer Unerbittlichkeit im letzten Quartal des Jahres 1918. Ihr erlagen Abertausende, die, ausgezehrt, erschöpft, von Hunger und Entbehrung geschwächt, von unzureichender Kleidung nicht geschützt, der Krankheit keinen Widerstand entgegenzusetzen vermochten ; zu ihren Opfern zählten Victor Adler, Otto Wagner, Gustav Klimt, Egon Schiele.3 Die Sterblichkeitsziffern erreichten traumatische Werte : Auf tausend Todesfälle kommen vierhundert Lebendgeburten, deren Zahl 1913 noch deutlich über 37.000, 1919 hingegen nur 19.600 betrug und damit lediglich 48,4 Prozent, also nicht ganz die Hälfte der Werte des Jahres 1912. Die Quote der Totgeburten, die in den Friedensjahren stetig gesunken war, stieg 1918/1919 massiv an, was nach Meinung des Vorstandes der Abteilung Gesundheitsstatistik im Volksgesundheitsamt, Siegfried Rosenfeld, weniger auf die in Kriegszeiten bei Männern so häufig anzutreffende Infektion mit Syphilis als vielmehr auf die Überlastung der Frauen durch extensiven Arbeitseinsatz in der Kriegsindustrie in Kombination mit anhaltender Unterernährung zurückzuführen war. Auch die Kindersterblichkeit stieg exorbitant an, und zwar im Zeitraum von 1914 bis 1919 um mehr als 30 Prozent.
Der Gesamtverlust, der sich über die Kriegszeit aus einer Zunahme an Todesfällen und einer Abnahme an Lebendgeburten ergibt, liegt weit über 120.000 und entspricht damit der Bevölkerungszahl eines der großen Wiener Flächenbezirke. Nahezu jeder vierte Sterbefall war durch Tuberkulose verursacht, seit 1914 hatte sich deren Anzahl fast verdoppelt, ihr Anteil an der Gesamtsterblichkeit stieg von 16 auf 22,8 Prozent.4 Rosenfeld schließt aus der außergewöhnlichen Zunahme der gefürchteten Wiener Krankheit, dass die Bevölkerung während des Krieges sich in exakt denselben Verhältnissen befunden habe wie die Internierten der berüchtigten Flüchtlingslager. Als Ursachen für die dramatische Zunahme der Sterblichkeit seien hauptsächlich Not und Überarbeitung in Betracht zu ziehen, ähnliche Verheerungen fänden sich nicht einmal in Epidemiezeiten. »Die Not hat grausamer wie manche Pest gewütet.«5 Die Kohlennot begann ihre entsetzlichen Wirkungen zu entfalten. Der neue Kleinstaat hatte einen monatlichen Kohlebedarf von 1.150.000 Tonnen, konnte aus eigener Kraft aber maximal 155.000 Tonnen zumeist minderwertiger Kohle fördern. Hausbrandkohle konnte nicht mehr ausgegeben werden, die frierenden und hungernden
Der Gesamtverlust, der sich über die Kriegszeit aus einer Zunahme an Todesfällen und einer Abnahme an Lebendgeburten ergibt, liegt weit über 120.000 und entspricht damit der Bevölkerungszahl eines der großen Wiener Flächenbezirke. Nahezu jeder vierte Sterbefall war durch Tuberkulose verursacht, seit 1914 hatte sich deren Anzahl fast verdoppelt, ihr Anteil an der Gesamtsterblichkeit stieg von 16 auf 22,8 Prozent.4 Rosenfeld schließt aus der außergewöhnlichen Zunahme der gefürchteten Wiener Krankheit, dass die Bevölkerung während des Krieges sich in exakt denselben Verhältnissen befunden habe wie die Internierten der berüchtigten Flüchtlingslager. Als Ursachen für die dramatische Zunahme der Sterblichkeit seien hauptsächlich Not und Überarbeitung in Betracht zu ziehen, ähnliche Verheerungen fänden sich nicht einmal in Epidemiezeiten. »Die Not hat grausamer wie manche Pest gewütet.«5 Die Kohlennot begann ihre entsetzlichen Wirkungen zu entfalten. Der neue Kleinstaat hatte einen monatlichen Kohlebedarf von 1.150.000 Tonnen, konnte aus eigener Kraft aber maximal 155.000 Tonnen zumeist minderwertiger Kohle fördern. Hausbrandkohle konnte nicht mehr ausgegeben werden, die frierenden und hungernden
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lgli/Die junge Republik (9783205201069).pdf
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lgrsnf/Die junge Republik (9783205201069).pdf
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Die junge Republik Österreich 1918/19$nRobert Kriechbaumer, Michaela Maier, Maria Mesner und Helmut Wohnout (Hg.)
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Die Junge Republik: Osterreich 1918/19 (German Edition)
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Die junge Republik Österreich 1918 19
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Maria Mesner; Robert Kriechbaumer; Helmut Wohnout; Michaela Maier; Böhlau Verlag GmbH & Co KG
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Maria Mesner, Birgitta Bader-Zaar, Ernst Bruckmuller, Hannelore Burger
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Maria Mesner; Helmut Wohnout; Robert Kriechbaumer; Michaela Maier
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Robert Kriechbaumer; Michaela Maier; Maria Mesner; Helmut Wohnout
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Symposion "Die junge Republik Österreich 1918/1919"
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Bohlau Verlag GmbH u. Co. KG
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Vandenhoeck & Ruprecht
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Böhlau Verlag Wien
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1. Auflage 2018, Göttingen, 2018
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Bookwire GmbH, Göttingen, 2018
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1. Auflage, Göttingen, 2019
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1. Auflage, Wien, 2018
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Aufl. ed., 2018-11-12
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Austria, Austria
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Die Gründung der Republik Österreich war kein revolutionärer nationaler Schöpfungsakt, sondern das Ergebnis einer militärischen Niederlage und des Zerfalls der Habsburgermonarchie. Sie erfolgte nicht in einer Phase kollektiver Erhebung, sondern in einer der tiefsten Depression. Zu unterschiedlich waren die Befindlichkeiten in der revolutionären Umbruchsphase, weshalb der Republikgründung ein parteien- und klassenübergreifendes Narrativ fehlte. Der Sammelband vereint die Referate eines Symposions, das die Plattform zeithistorischer politischer Archive 2017 in Wien veranstaltete und das sich den Transformationsprozessen in der Entstehungsgeschichte der Ersten Republik widmete.
Erscheinungsdatum: 12.11.2018
Erscheinungsdatum: 12.11.2018
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Die Republik Österreich war kein revolutionärer nationaler Schöpfungsakt, sondern das Ergebnis der militärischen Niederlage und des Zerfalls der Habsburgermonarchie. Ihre Gründung erfolgte nicht in einer Phase kollektiven Erhebung, sondern einer der tiefsten Depression. Zu unterschiedlich waren die Befindlichkeiten in der revolutionären Umbruchsphase, weshalb der Republikgründung ein parteien- und klassenübergreifendes Narrativ fehlte. Der Sammelband vereint die Referate des Symposions, das die Plattform zeithistorischer politischer Archive vom 8. bis 10. November 2017 in Wien veranstaltete und das sich den Transformationsprozessen in der Entstehungsgeschichte der Ersten Republik widmete
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***Angaben zur beteiligten Person Wohnout: Helmut Wohnout ist Abteilungsleiter im Bundeskanzleramt/Bundespressedienst und Geschäftsführer des Karl von Vogelsang-Instituts zur Erforschung der Geschichte der christlichen Demokratie in Österreich. Er ist Dozent für das Fach Österreichische Geschichte an der Karl-Franzens-Universität Graz
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***Angaben zur beteiligten Person Maier: Michaela Maier ist Geschäftsführerin des Vereins für die Geschichte der ArbeiterInnenbewegung in Wien. Sie studierte Theaterwissenschaft, Ethnologie, Philosophie und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Wien
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